Insbesondere für die Dienstleister unter den kleinen Unternehmen stellt sich immer wieder die Frage, zu welchem Preis sie ihre Leistung anbieten sollen. Angebote werden jedes Mal neu kalkuliert – Pi, der breite Daumen und das Fensterkreuz sind dabei regelmäßig die einzigen Konstanten. Aber wie kann ich meinen Preis ermitteln? Dazu gibt es drei zentrale Ansätze, die dem Unternehmer Handlungsleitung geben. Diese nutzen drei unterschiedliche Ansatzpunkte, um zu Zahlen zu kommen: die Kosten, den Markt und die eigene Auslastung. Überrascht?
Der am wenigsten überraschende Ansatz sind die Kosten, denn es ist ja nun eine Binsenweisheit, dass die Umsätze die Kosten übersteigen müssen. Dennoch ist gerade diese Betrachtung bei Dientsleistern viel schwieriger als bei produzierenden Unternehmen. Dort gibt es Maschinen, die abgeschrieben werden; Personal, das eingesetzt wird; Materialien, die verbraucht werden und Vorprodukte, die eingesetzt werden. Zu allem gibt es fein säuberliche Zahlen, die sich meist zu einem erklecklichen Betrag der zu deckenden Kosten summieren. Auf diese Summe rechnen auch heute noch Unternehmen einfach einen prozentualen Aufschlag und haben einen simpel kalkulierten Preis für Ihr Angebot.
Diese erste Hürde des Produzenten ist bei einem Dienstleister meist so niedrig, dass sie nicht zu einer solchen Berechnung taugen. Die anfallenden Büro-, Fahrt- und Kopierkosten ergäben häufig eine Untergrenze eines Stundenhonorars von etwa 5 Euro – ein vollkommen unbrauchbarer Wert.
Der Hauptkostenfaktor ist bei Dienstleistern das Personal und damit bei Freiberuflern oder kleinen Unternehmen der Chef persönlich. Hier gilt es, einen kalkulatorischen Unternehmerlohn anzusetzen. Dieser bestimmt sich kostenseitig über die Lebenshaltungskosten. Also: Was wollen bzw. müssen Sie dem Unternehmen pro Monat inkl. aller Nebenkosten für Kranken- und Altersvorsorge entnehmen? 3.000 Euro? Eine Jahresentnahme von 36.000 Euro ergibt laut Einkommensteuertabelle 2007/08 inklusive Solidaritätszuschlag eine erforderliche Entnahme in Höhe von knapp 50.000 Euro. Dazu die betrieblichen Kosten – sagen wir mal 1.000 Euro pro Monat – ergibt eine Summe von 62.000 Euro, die Ihr Unternehmen am Ende als Rohgewinn ausweisen muss.
Erheblich schwieriger als die Summe zu ermitteln ist es, den Betrag auf die Stunden- oder Tagespreise umzurechnen. Wieviele Stunden arbeiten Sie pro Jahr? 52 Wochen x 60 Stunden = 3120 Stunden? 62.000 Euro geteilt durch 3120 Stunden ergäben 20 Euro. Und das ist das, was Sie ja auch immer in Rechnung stellen? Hoffentlich nicht, weil Sie dieses Arbeitsmodell nicht lange überleben würden.
Der erste Punkt ist: Gönnen Sie sich Urlaub, auch Freizeit und Feiertage. Selbst wenn Sie sehr sparsam damit umgehen – das Finanzamt erkennt bei den Fahrtkosten zur Arbeit nur 220 Arbeitstage im Jahr ohne weiteren Nachweis an. Das bedeutet zum Beispiel 52 Wochen á zwei Tage Wochenende plus neun preussisch-knappe Feiertage plus 32 Tage Urlaub. Zuviel Abzug? Arbeitnehmermentalität? Einen krankheitsbedingten Ausfall haben wir hier nicht berücksichtigt… . Aber es geht mir auch mehr um die Größenordnungen, die ein anderer Faktor viel stärker bestimmt.
Wie lange, sagten Sie, arbeiten Sie täglich? 220 Tage x 10 Stunden/Tag = 2.200 Stunden. Das ergäbe schon ein Stundenhonorar von gut 28 Euro. Aber wie ist das mit Leerlaufzeiten, die sie dem Kunden nicht in Rechnung stellen können? Wer macht die Unternehmenssteuerung, spricht mit dem Steuerberater, lässt sich coachen, kümmert sich ums Marketing oder nimmt Pressetermine wahr? Erfassen Sie einen Monat lang alle ihre Stunden genau und ermitteln Sie die Stundenzahl, in der sie nicht abrechnungsrelevant arbeiten. Diese Stunden sind unbezahlte Arbeitszeit und müssen von den bezahlten quersubventioniert werden. Wenn Sie alles zusammenehmen, sind 50% unbezahlte Arbeit keine Seltenheit – und auch kein Problem. Dadurch ergibt sich in unserem Beispiel ein kostenseitig ermittelter Preis für eine Stunde Auftragsarbeit in Höhe von 56 Euro.
Die Herausforderung besteht nun darin , diesen Preis am Markt auch durchzusetzen. Aber die marktseitige Preisbestimmung ist Thema des nächsten Beitrags… .
Guten Tag,
mit Interesse verfolge ich Ihren Blog. Mir kommt das Thema, welches Sie hier behandelt haben, bekannt vor. Sie hatten zu demThema doch schon eine Reihe angefangen (FRau Lanäus). Ist das jetzt die Fortsetzung oder ganz was anderes. Ich frage nur, weil das Thema gerade für mich sehr interessant ist und sie ja doch schon etwas unterschiedlich an das Thema rangehen, oder irre ich mich?
Liebe Grüße
Ihre Bettina Neubauer
Guten Tag Frau Neubauer,
Es handelt sich in der Tat um eine weitgehende Doppelung der Inhalte. Auf Ihren Hinweis hin musste ich feststellen, offensichtlich nicht mehr alle Themen unseres Blogs auf dem Schirm zu haben.
Anlass für den Beitrag war ein aktuelles Coaching, bei dem genau die drei Dimensionen der Preisbildung zum Einsatz kamen. Folglich ergab sich ein Artikel mit einer geringfügig anderen Schwerpunktsetzung als der von Frau Lanäus vom 12.11.2007. (Irgendwie ja auch beruhigend, dass zwei unterschiedliche, unabhängig entstandene Artikel zum gleichen Thema auch die gleichen Aussagen machen und nicht zwei Experten drei unterschiedliche Meinungen vertreten 😉 ).
Immerhin: Das Thema Preisbildung wird nun „beitragsnah“ weitergeführt werden, weil ja bisher nur die Kostenseite der drei „Geheimnisse der Preisbildung“ gelüftet wurde. Hierbei werden Frau Lanäus und ich uns besser abstimen – versprochen.
Viele Grüße
Michael Häfelinger
Lieber Herr Häfelinger,
vielen Dank für Ihren raschen Kommentar.
Beste Grüße
B. Neubauer
Das sind spannende Rechenbeispiele aus der Praxis. Zum Glück bin ich schon vorher mit intuitivem „Bauchgefühl“ in ähnlichen Regionen gelandet.
Hinweis an mich selbst: Mehr Unternehmercoaches lesen.
Noch ein Hinweis zu den Bedeutungen der so ermittelten Preise:
– Wenn Sie selbst 28 Euro in der Stunde wert sind, lohnt es sich, alle Aufgaben, die Sie auf Ihre Arbeitsstunde umgerechnet weniger kosten, zu delegieren. Eine Putzfrau fürs Büro für 10 Euro ist damit ebenso gemeint wie der Buchhalter für 25 Euro.
– Der Preis von 56 Euro ist für unseren Musterunternehmer die langfristige Preisuntergrenze. Mit ihm deckt das Unternehmen alle anfallenden Kosten.
Demgegenüber bilden 28 Euro eine kurzfristige Preisuntergrenze. Jeder Auftragswert darüber leistet zwar einen Beitrag zur Kostendeckung, Insgesamt werden aber bei einem Nieveau unter 56 Euro die Gesamtkosten nicht vollständig gedeckt. Und das geht eben nur kurzfristig. Mehr dazu bald im Thema „Deckungsbeitragsrechnung“.