Kennen Sie die Situation, wenn Sie eine Anfrage bekommen und aus dem Nichts und am besten bis gestern ein Angebot oder ein Konzept zaubern müssen? Da stellt sich doch die Frage: Soll man zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Streichhölzern zwischen den Augenlidern Gewehr bei Fuß stehen, um es dem Kunden recht zu machen? Oder darf man auch einfach einmal Nein sagen, ohne dass der Kunde einem gleich den möglichen Auftrag oder noch viel mehr kündigt?
In der letzten Woche ist es mir selbst passiert und lässt mich darüber nachzudenken, in welchem Maße ein Kunde über mein Leben und meine Zeit verfügen darf.
Am Freitag Nachmittag bekam ich also eine Anfrage, ob ich einen Corporate Identity Prozess moderieren könne. „Na klar, kann ich“, sagte ich. Der Kunde erwiderte, dass er das Angebot hierfür am Montag bräuchte , weil er zwar schon im Urlaub sei, aber am Montag noch Emails abruft und das Angebot an seinen Geschäftsführer weiterleiten möchte, der sich während der Feiertage doch schon mal mit dem Angebot auseinandersetzen könne.
Als ob der nichts anderes während der Feiertage zu tun hat, dachte ich und sagte sofort zu, dass ich das Angebot schreiben könne, um es im nächsten Moment bitterlich zu bereuen. Abgesehen davon, dass ich seit Tagen durchackerte, und mir mein Wochenende redlich verdient hatte, erinnerte ich mich daran, dass ich an diesem Wochenende Besuch und Übernachtungsgäste aus München und Wien hatte, die anlässlich einer Feier nach Berlin gekommen waren, ich außerdem meinem Sohn versprochen hatte, mit ihm Plätzchen zu backen, den anderen Sohn zu einem Fussballturnier bringen musste, endlich wieder Joggen gehen und Weihnachtsgeschenke einkaufen wollte.
Natürlich interessiert das meinen Kunden überhaupt nicht. Es wäre auch nicht besonders professionell, ihm diese Begründungen zu präsentieren, um einen Aufschub für das Angebot zu verhandeln. Also bleibt mir nichts anders übrig, als an diesem Wochenende ein paar Stunden Zeit zu finden, um das Angebot zu schreiben.
Hätte ich es nicht auch anders machen können?
Sicher.
Im Nachhinein fällt einem oft ein, wie man hätte argumentieren können. Und vielleicht inspiriert dieser Beitrag Sie, bei der nächsten Situation, in der Sie vom Kunden unter Zeitdruck gesetzt werden, anders zu reagieren.
Zunächst einmal müssen Sie sich klar machen, dass der Kunde nicht wirklich darüber nachdenkt, was er Ihnen zumutet. Das ist ja Ihr eigenes subjektives Empfinden. Sich unter Druck setzen zu lassen, liegt in Ihrer eigenen Verantwortung, nicht in der des Kunden.
Also, was tun?
Ich erinnerte mich an dieser Stelle an das Harvard-Konzept.
Die Frage, die sich stellt, ist nicht, ob der Marketingleiter eiskalt seine Lieferanten ausnutzt, sondern: Was ist sein Interesse? Er ist relativ neu im Unternehmen und möchte es seinem Geschäftsführer recht machen. Denn er fährt in Urlaub und er kann punkten, wenn er noch vor diesem Urlaub ein Angebot aus dem Hut zaubert. Sein Interesse ist es, Eindruck zu schinden. Das kann ich verstehen.Mein Interesse jedoch ist es, mein Wochenende nicht für ein Angebot draufgehen zu lassen, egal wie interessant der Job ist. In diesem Fall hätte ich also argumentieren können:
„Lieber Herr Müller-Meier! Ich finde auch, dass es eine gute Idee ist, das Angebot noch vor Ihrem Urlaub Ihrem Geschäftsführer vorzulegen. Ich finde es aber wichtig, dass wir ein Angebot vorlegen, dass Hand und Fuß hat, das inhaltlich in jeder Hinsicht überzeugt.“
Denn das ist ja auch im Interesse des Kunden. Hier versuche ich indirekt auf die negativen Konsequenzen hinzuweisen, die ein ungenaues und inhaltlich vermeintlich wenig detailliertes Angebot nach sich ziehen würde. „Dazu würde ich mich noch einmal gern mit Ihnen und Ihrem Geschäftsführer unterhalten. Ich kann Ihnen aber auch bis Montag ein eher grobes Angebot erstellen, was nicht ins Detail geht, damit Sie eine erste Größenordnung in Bezug auf die Kosten für den Prozess haben.“
Hier gebe ich ihm also eine Entscheidungsoption. Wenn er darauf nicht eingeht, kann ich ja erst einmal hypotetisch akzeptieren:„Mal angenommen ich schreibe Ihnen ein vorläufiges Angebot ohne die fehlenden, wichtigen Informationen zu haben, dann werden wir zu einem späteren Zeitpunkt sicher noch einmal nachbessern müssen. Ist das für Sie und Ihren Geschäftsführer akzeptabel?“
Wenn er jetzt immer noch nicht einlenkt und auf das Angebot besteht, können Sie nun verzweifelt sagen:
„Herr Müller-Meier, ich bin nicht glücklich darüber, dass ich auf dieser Basis ein Angebot schreiben soll. Ich glaube, das Ergebnis wäre nicht zu Ihrer Zufriedenheit. Mal angenommen, Sie wären an meiner Stelle, was würden Sie denn Ihrem Kunden raten?“
Ich glaube jedoch, dass Ihr Kunde an dieser Stelle schon lange eingelenkt hat. Und falls Sie sich dieser Taktik nicht zutrauen, dürfen Sie aus meiner Sicht auch schlicht und ergreifend zum Kunden sagen:
„Herr Müller-Meier, das ist eine tolle Gelegenheit. Ich schreibe Ihnen selbstverständlich gern ein Angebot, nur bis Montag ist es leider nicht machbar, ein solches Angebot vorzubereiten. Was ist die Alternative?“
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich in einer ähnlichen Situation nicht so unter Druck setzen lassen, wie es mir passiert ist. Sie entscheiden, bis zu welchem Grad ein Kunde Sie fremdbestimmt.
Danke für diese guten Vorschläge. Auch mir passiert es häufig, dass Kunden eine völlig falsche Vorstellung von Zeitplänen haben und denken, dass ich dafür da wäre, einen tollen Vorschlag NUR für sie zu erarbeiten. Was ich noch schockierender finde, ist, dass einige es selbst nicht akzeptieren, wenn man ihnen räsonabel darlegt, WARUM man ein Konzept nicht innerhalb von 2 Tagen ausarbeiten kann.
Also, vielleicht schlagen die oben beschriebenen Strategien ja mal an!
Vielen Dank!