Meistens ist es eine schöne Situation, befördert zu werden. Jedenfalls verspricht man sich eine ganze Menge davon. Für viele ist es aber auch eine heikle Situation, denn die neue Rolle bedeutet, alte Verhaltensmuster aufzugeben und sich in eine neue Rolle einzufinden. Das kann für den einen oder anderen eine große Herausforderung sein. Es gilt, mit den eigenen Ängsten umzugehen und mit den Reaktionen von Mitarbeitern auf den eigenen Aufstieg. Ganz besonders trifft dies auf diejenigen zu, die innerhalb einer Abteilung befördert werden. Die Kollegen werden plötzlich zu Mitarbeitern.
Kürzlich bin ich von einem Unternehmen mit 40 Mitarbeitern gebrieft worden, einen Führungskreisworkshop mit neu ernannten Führungskräften durchzuführen. Die Situation war in zweierlei Hinsicht schwierig. Denn die zwei Geschäftsführer, die bis dahin die alleinige Führungsverantwortung gehabt hatten, hatten drei Mitarbeiter aus den eigenen Reihen befördert, die jetzt als Führungskräfte arbeiten sollten. Diese sollten aber nur eine fachliche Führungsverantwortung bekommen, um die restlichen Mitarbeiter zu schonen, schien es. Jedenfalls waren sich die Geschäftsführer zwar über ihre Entscheidung einig, eine neue Führungsebene einzuziehen, um sich selbst zu entlasten, hatten aber gleichzeitig die Befürchtung, dass das gesamte Unternehmen einen Kulturschock erleiden würde.
Damit hatten Sie vor allen ihren neuen Führungskräften keinen Gefallen getan. Denn diese hatten überhaupt keine Klarheit darüber, bis wohin ihre Führungsfunktion reichte. Dürfen wir nun Aufgaben delegieren oder nicht, fragte eine der Führungskräfte im Vorfeld des Workshops.
Außerdem schürte die Entscheidung die Situation, dass ehemalige Kollegen die Führungskräfte weiterhin genau so behandeln und sich von diesen genauso gleichberechtigt behandelt fühlen wollten wie bisher. Was also war zu tun?
Zunächst mussten die Rollenbeschreibungen für die neuen Führungsfunktionen von der Geschäftsführung klar formuliert werden und an die Führungskräfte und die Belegschaft kommuniziert werden. Davor musste jedoch eine klare Entscheidung getroffen werden, ob den Führungskräften auch eine disziplinarische Verantwortung übertragen werden sollte. Das ist aus meiner Sicht besonders wichtig für Führungskräfte, die aus den eigenen Reihen aufsteigen. Die offizielle disziplinarische Führungsaufgabe hilft ihnen, ihre Rolle als Führungskraft bei den ehemaligen Kollegen durchzusetzen und nicht weiterhin als der Kumpel vom Schreibtisch gegenüber angesehen zu werden.
Zweitens musste ihnen die Gelegenheit gegeben werden, sich von ihrer alten Rolle zu verabschieden, die viele Vorteile mit sich gebracht hatte. Gegenüber den alten Kollegen und jetzt neuen Mitarbeitern ist es wichtig, die neue Rolle durch einen Event einzuläuten. Das kann zum Beispiel ein Treffen sein, in dem die neue Führungskraft ihr eigenes Rollenverständnis und ihre Erwartungshaltungen an die Mitarbeiter das erste Mal mitteilt, aber auch Erwartungshaltungen abfragt.
Das Annehmen der eigenen Rolle, vor allem der Tatsache, nicht mehr von allen und zu jeder Zeit für manchmal unpopuläre Entscheidungen geliebt zu werden, ist dabei der schwierigste Part. Die Führungskraft kann zwar nach wie vor ein gutes Verhältnis zu ihren Mitarbeitern haben, aber um als Führungskraft glaubwürdig zu sein, ist es wichtig, Entscheidungen im Sinne der Unternehmensziele durchzusetzen. Sie kann es nicht mehr allen Recht machen. Das fällt vielen Führungskräften schwer, insbesondere wenn sie von Mitarbeitern dafür Wind von vorne bekommen. Die eigene Glaubwürdigkeit durch Klarheit und Konsequenz aufrecht zu erhalten, ist jedoch eine der stärksten Führungsinstrumente.
Besonders wichtig für die neue Führungskraft ist es, sich über die eigenen Stärken im Klaren zu sein. Was zeichnet mich aus? Warum glaubt die Geschäftsführung, dass ich für diesen Job geeignet bin? Wie werden meine Stärken mir im Führungsalltag weiterhelfen? Woran will ich konkret arbeiten? So fällt es leichter zu verstehen, dass die Identität als Führungskraft nicht bedeutet, sich als Mensch zu verändern, sondern lediglich alte Gewohnheiten im Umgang mit Kollegen. Stärken zu leben hilft dabei, Mitarbeitern Orientierung zu geben und damit die Glaubwürdigkeit der eigenen Rolle zu fördern.