Ein Unternehmen zu führen heißt, tagtäglich eine Menge Entscheidungen zu fällen. Es gehört zum Bild des souveränen Unternehmers, diese Entscheidungen sicher und schnell fällen zu können. Entscheidungsschwächen dürfen sich Chefs (vermeintlich) nicht erlauben. Aber geht das überhaupt? Kann jemand immer und allein Entscheidungen richtig fällen? Ist dieser Anspruch in einem Team überhaupt glaubwürdig? Die Luft des Entscheiders ist häufig dünn.
Die Aufgabe eines Unternehmers
Die Aufgabe eines Unternehmers bzw. einer Führungsperson ist im Grunde einfach zu beschreiben: Ein Team soll zur Erreichung eines (vorgegebenen) Zieles motiviert und dabei als Gruppe zusammenhalten werden. In gutem Soziologen-Deutsch sind das eine eine aufgabenorientierte Lokomotionsfunktion und eine gruppenorientierte Kohäsionsfunktion.
Das Problem mit den Teams
Der Unternehmer trägt die Verantwortung und hat durch seine Position die Pflicht wie die Möglichkeit, Entscheidungen zu fällen. Gegebenenfalls hat er auch die Macht, seine Entscheidungen durchzudrücken.
Das Problem dabei: Gruppen haben eigentlich nicht die Tendenz, nur einer Person zu folgen. Bereits 1955 haben Bales und Slater in empirischen Untersuchungen nachgewiesen, dass in Gruppen der Trend dazu besteht, zumindest eine duale Führung auszuprägen. Die Dualität besteht darin, dass ein Gruppenmitglied für die sozio-emotionale Ebene, die andere für die Inhalte der Aufgabe zuständig ist. Modernere Ansätze gehen von einer Führungspluralität aus, nach der sich Führung in Gruppen je nach Situation und Eignung der Personen entwickeln.
Das Problem besteht nun darin, dass die organisatorische Rolle des Unternehmers – des alleinigen Entscheiders – auf eine Gruppe trifft, die die Führung am liebsten auf mehrere Schultern verteilen möchte. Selbst bei dem einfachen Modell der dualen Führung wird einer einzelnen Person nur eine der beiden Funktionen glaubhaft zugetraut. Nicht zu erfüllen ist der Anspruch, Kohäsion und Lokomotion in allen Situationen für die Gruppe optimal bieten zu wollen – vor allem dann nicht, wenn die Mitarbeiter gut und hoch motiviert sind.
Das Ergebnis: Viel zu häufig fällt der Unternehmer seine Entscheidungen allein und viel zu häufig wird sie autokratisch verkündet. Durch die Vernachlässigung der Beziehungsebene entsteht auf Seiten des Teams Demotivation, was nicht nur zu Schwierigkeiten bei der Zielerreichung führt, sondern im Grunde zur Abwendung des Teams vom Unternehmer.
Die Folge: Der Unternehmer „herrscht“ alleine – und wird einsam. Das wiederum erhöht den Abstand zum Team, die Entscheidungen berücksichtigen immer weniger die Kohäsionsfunktion, das wiederum vergrößert den Abstand usw. usf.
Coaching bietet zumindest ein Feedback
Um aus diesem Kreis auszubrechen, ist ein Austausch über die Team-Dynamik hilfreich. Im Rahmen der Business-Coachings sind wir häufig Sparring-Partner der Unternehmer und Unternehmerinnen. Als „eingekaufte Freunde“ sind wir diejenigen, mit denen sich der Unternehmer ohne Rücksicht auf Interna auseinandersetzen kann, mit denen er sein Verhalten und seine Entscheidungen besprechen kann.
Wir können und wollen in der Rolle als Coaches dem Unternehmer die Aufgabe der Entscheidung nicht abnehmen. Wir können auch das prinzipielle Problem zwischen der Entscheiderrolle und der Gruppenführung nicht lösen. Aber wir bieten einen Austausch, den Blick von außen und behalten Lokomotions- und Kohäsionsfunktion gleichermaßen im Blick. Unser Ziel ist es, dem Unternehmer zu vermitteln: Zu zweit ist man weniger allein.
Berlin, 02. Juli 2009