Der Weg eines Unternehmens von der Gründung bis zur Etablierung ist lang. Klassischerweise durchlaufen die Unternehmen in ihrer Entwicklung mehrere Phasen, für die spezifische Krisen typisch sind. Da es ein wesentliches Ziel des Unternehmers ist bzw. sein sollte, auf Krisen vorbereitet zu sein, hilft ein Blick auf die Entwicklungsmodelle, um die kommenden Herausforderungen frühzeitig zu erkennen.
Die im Folgenden dargestellten Phasen der Unternehmensentwicklung sind idealtypisch und natürlich nicht trennscharf voneinander abzugrenzen. Die grundsätzlichen theoretischen Betrachtungen von Quinn und Cameron (1983), Bartunek und Louis (1988) oder Greiner (1972) sind mit meinen praktischen Coaching-Erfahrungen unterlegt und ergänzt.
Folgende Phasen können demnach im Lebenszyklus eines Unternehmens unterschieden werden:
- Erste Idee: In dieser ersten Phase der Vorgründung entsteht das Bild einer Geschäftsidee. Auslöser ist das Erkennen der Chance, dass eine bestimmte Aufgabe von anderen Unternehmen nicht oder nur unzureichend gelöst wird. Die zentrale Herausforderung in dieser Phase ist die prinzipielle Prüfung, ob Idee und Unternehmer in der Lage sind, dieses Problem tatsächlich besser zu lösen und ob es für diese bessere Lösung einen Markt gibt.
- Commitment: Es geht in dieser Phase darum, sich dazu zu verpflichten (sich zu „committen“), aus der Idee ein Unternehmen werden zu lassen. In dieser immer noch sehr frühen Planungsphase wird die Geschäftsidee zu einer Unternehmensidee präzisiert. Die Geschäftsidee wird wird mit einem ersten Strukturkonzept unterlegt. Im Rahmen der Coachings steht am Ende dieser Vorgründungs-Phase klassischerweise der Businessplan. Die zentrale Herausforderung besteht nun darin, sich selbst und andere (Geschäftspartner, Banken) davon zu überzeugen, dass die Geschäftsidee mit den entwickelten Strukturen tatsächlich gewinnbringend umgesetzt werden kann.
- Implementation: Hier wird das Konzept in konkrete Strukturen gegossen – aus der Unternehmensidee wird ein Marktauftritt, das Unternehmen wird gegründet. Es geht nun um den „proof of concept“, den Nachweis, dass sich das Produkt herstellen oder die Dienstleistung tatsächlich erbringen lässt und sich als verkaufbar erweist. Dieser Markteintritt ist oft schwieriger als erwartet und birgt viel Frust- und damit Krisenpotenzial.
- Unternehmertum: Aus dem Markteintritt gilt es, stabile Unternehmensstrukturen zu entwickeln. Es geht hierbei im Unternehmen darum, die Prozesse zu entwickeln, zu stabilisieren und zu routinisieren. Im Austausch mit dem Markt wird die Produktidee geschärft und das Auftragsvolumen sukzessive erhöht. Die ökonomische Stabiliserung drückt sich im Erreichen der Gewinnschwelle („break-even“) aus. Die Krise besteht meist darin, dass dieser Prozess eben nicht so glatt läuft, wie hier dargestellt.
- Gemeinschaft: Den überstandenen Gründungswirren schließt sich eine Phase der starken Gemeinschaft an. Die Organisations-Mitglieder entwickeln ein starkes Wir-Gefühl (Kohäsion), was sich in einer intensiven Kommunikation ausdrückt, die eher informellen Charakter hat (der berühmte „Flurfunk“). Krisen erwachsen genau aus diesen „unprofessionellen“ Strukturen, die insbesondere bei weiterem Wachstum nicht mehr ausreichen, den erforderlichen Informationsfluss sicher zu stellen.
- Bürokratisierung: Auf dieses Defizit reagieren die Unternehmen mit Bürokratisierung. Das Unternehmen wird stärker strukturiert, Prozesse und Kommunikation standardisiert. Die Krise liegt meist in der Veränderung des Arbeitsklimas: Aus einem spannenden Jungunternehmen mit seiner spontanen und informellen Kultur, das von den beteiligten Personen getragen wird, wird ein „ganz normales“ Unternehmen, in dem die Mitarbeiter stärker in die Rollenvorgaben ihrer Funktion gezwängt werden. Eine erhebliche Demotivation ist häufig die Folge.
- Erstarren: Das Unternehmen ist längst am Markt etabliert und kann sich ganz der Optimierung seiner Prozesse widmen. Eine starke formale Strukturierung prägt das Unternehmen, übergreifend werden einheitliche Prozesse z.B. ohne Rücksicht auf lokale Gegebenheiten eingeführt. „Best Practice“ ist ein Schlagwort dafür, dass die Innovationsfähigkeit zugunsten der Prozess-Optimierung geopfert wird. Die großen Krisen entstehen dadurch, dass das Unternehmen seine Anpassungfähigkeit an sich verändernde Umweltbedingungen (z.B. den Markt) verliert.
- Tod: Im Sinne von Selektionsmodellen, die zwischen den Unternehmen ein Darwin-ähnliches „survival of the fittest“ sehen, tritt der Tod dann ein, wenn das Unternehmen es nicht mehr schafft, sich auf die sich (womöglich schlagartig) verändernden Umweltbedingungen einzustellen.
Die hier vorgestellten Phasen sind zwar idealtypisch, aber keineswegs naturgesetzlich. Schließlich handelt es sich bei Unternehmen immer noch um Konstrukte, die Menschen erdacht und erschaffen haben. An genau diesen Menschen liegt es aber auch, das Überleben des Unternehmens dadurch zu sichern, dass ein Wandel der Unternehmensstruktur nicht nur als (zu späte) Reaktion auf die Krise erfolgt, sondern ein kontinuierlicher Wandel als normale Entwicklung und Krisenprävention begriffen wird. Um es mit Michael Ende zu sagen: „Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.“