Ihr Unternehmen soll wachsen oder Sie wollen ausscheidende Mitarbeiter ersetzen. Gespräche mit Bewerbern zu führen, gehört deshalb zu Ihrem Alltag als Unternehmer. Ihr Ziel dahinter ist es, den bestmöglichen Kandidaten aus der Menge der Bewerber herauszupicken. Doch klappt das auch immer? Und wenn nicht, woran liegt es, dass wir in unserem Urteil falsch liegen?
Nein, es klappt nicht immer. Ein gutes Bauchgefühl nach Ende eines Interviews reicht meistens nicht aus, weil es passieren kann, dass wir uns selbst hinters Licht führen. Wahrnehmung ist subjektiv und damit fehlerhaft. Unterschiedliche Effekte können das Ergebnis unseres Gesprächs mit dem Bewerber ganz einfach verfälschen. Deswegen sein Sie sich der folgenden Effekte bewusst, wenn Sie Bewerber beurteilen:
Halo Effekt
Im Interview kann es vorkommen, dass ein Bewerber beispielsweise außergewöhnlich eloquent ist. So vermuten wir, dass er auch im Bezug auf sein Gesprächsverhalten gegenüber Kunden gut sein muss. Und das, obwohl das eine mit dem anderen nur bedingt etwas zu tun hat, denn eine Kundenbeziehung ist vielschichtiger als nur gut vom Wort zu kommen. Das nennt man den „Halo Effekt“, bei dem eine besondere Fähigkeit des Bewerbers andere Fähigkeiten oder fehlende Fähigkeiten überstrahlt. Das funktioniert natürlich auch andersherum. Eine schlechte Leistung auf einem Gebiet, strahlt auf andere Kompetenzbereiche negativ ab. Von einem Bewerber, der beispielsweise zum Einstellungsgespräch fünf Minuten zu spät kommt, könnten wir mangelnde Selbstorganisation vermuten. Ob das so ist, sei jedoch dahingestellt.
History Effekt
Sie haben endlich einen guter Bewerber , nachdem sie zuvor zwei schlechte Bewerber interviewt haben. Wir tendieren in diesem Fall, den Bewerber überzubewerten. Deshalb auch hier Vorsicht bei der Auswertung!
Eigene Grunddisposition
Ihre eigene Grundeinstellung zum Zeitpunkt des Interviews hat natürlich auch Einfluss auf die Bewertung der wahrgenommenen Kompetenzen. Stellen Sie sich vor, Sie haben vor dem Gespräch richtig Ärger und sind genervt. Wer mit dieser Grunddisposition in das Bewerbergespräch geht, projiziert sein negatives Empfinden gern auf den Bewerber. Umgekehrt funktioniert das genauso. Sie haben gerade einen grandiosen Coup gelandet und schweben in das Bewerbergespräch. Der Bewerber wird Ihnen großartig erscheinen, obwohl er es vielleicht gar nicht ist.
Selbst erfüllende Prophezeiung
Ähnlich wie die Grunddisposition des Interviewers, haben konkrete Vorannahmen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und die Reaktionen des Gesprächspartners. Wenn Sie beispielsweise mit dem festen Glauben, ich finde sowieso keinen akzeptablen Ersatz für den Vorgänger auf einen bestimmten Arbeitsplatz, so wird sich diese Einstellung mit Sicherheit bewahrheiten. Ihre gesamte Wahrnehmung ist auf die Bestätigung Ihrer These programmiert – und wird erfüllen, was Sie von ihr erwarten: Es gibt keinen Ersatz. Umgekehrt wäre ein allzu positiver Vorsatz für eine einigermaßen leistungsorientierte Bewertung hinderlich. Wenn sie beispielsweise aufgrund des Bewerberfotos bereits im Vorfeld sagen: „Die ist es, und niemand anders!“
Die Fortsetzung dieses Beitrags folgt am 19. Juli.