Die Märzausgabe der Wirtschaftszeitschrift brand eins beschäftigt sich mit dem Thema Tempo. Ich habe hier einige interessante Gedanken und Artikel zur Zeit und ihrem Verrinnen gefunden.
Sie kennen brand eins noch nicht? Eigener Aussage zufolge ist brand eins „das Wirtschaftsmagazin, das nach den Hintergründen sucht und nach den Zusammenhängen. Wir nehmen scheinbar Vertrautes auseinander und setzen es neu zusammen, wir kreuzen Wirtschaft mit Kultur und Gesellschaft. Unser Angebot ist der Perspektivwechsel – denn neue Sichtweisen sind entscheidend für eine Wirtschaft, in der Kreativität und Wissen die wichtigsten Produktivfaktoren sind.“
Seit einigen Jahren gibt es das Magazin, und vieles finde ich sehr lesenswert. Nun also das Thema Tempo.
Was ist Tempo? Tempo bedeutet Geschwindigkeit oder Schnelligkeit.
Zu einem sinnvollen Zeitmanagement gehört auch, dass wir unsere eigene Geschwindigkeit finden. Manche von uns können scheinbar alles gleichzeitig machen und schaffen sehr viel, brauchen dann aber wieder Auszeiten, um ihren Akku aufzuladen. Andere meiden jeden Stress und jede Hektik und erledigen, scheinbar langsamer, auch ihre Aufgaben.
Ein sehr interessanter Artikel handelt von einem alten Silberschmied, der 200 Stunden an der Herstellung einer Teekanne arbeitet. Die kostet dann auch 8.000 EUR. Das klingt viel. Aber alle Erfahrungen, die er im Laufe seines Lebens gemacht hat, fließen in die Manufaktur dieser Kanne ein. Der Silberschmied richtet sich nicht nach deadlines, sondern nimmt sich für jedes Stück so viel Zeit, wie er eben braucht. Ein glücklicher Mann.
Eine andere Geschichte erzählt von einem Musiker, der ein berühmter Schlagzeuger werden wollte. Daraus wurde nichts. Heute arbeitet er zwei Tage in der Woche intensiv und sehr effektiv, indem er andere unterrichtet und bei Veranstaltungen zum Tanz aufspielt. Und gewinnt dadurch Zeit für sich, die er als gefeierter Rockstar nicht gehabt hätte. Er ist glücklich.
Das extreme Gegenbeispiel sind Börsenmakler, die an globalen Finanzmärkten agieren. Da kommt es oft auf Sekunden an. Wenn Menschen in einem Augenblick irgendwo auf der Welt kaufen und per Mausklick im nächsten wieder verkaufen können, kommt das der Abschaffung von Raum und Zeit nahe.
Der wohl interessanteste Artikel handelt von einer Dänin – Camilla Kring -, die sich für den Ausstieg aus dem bisher bekannten Arbeitstag engagiert. Während früher der Tagesablauf weitestgehend von der Landwirtschaft bestimmt war, rückten in Zeiten der Industrialisierung die Erfordernisse der Maschinen und Fließbänder in den Mittelpunkt; der Arbeitsalltag wurde von der Stechuhr beherrscht. Camilla Krings These: Im heutigen Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft müssen starre Arbeitszeitmuster über Bord geworfen und durch flexible Modelle ersetzt werden. Menschen sollten zu den Zeiten arbeiten, an denen ihr Gehirn dazu bereit ist. Sie gründete die dänische B-Gesellschaft. B-Menschen sind diejenigen, die morgens um neun noch nicht produktiv arbeiten können, aber dennoch über wertvolle Energien für die Arbeitswelt verfügen.
Es gibt bereits betriebliche Vereinbarungen in diese Richtung. Stichwort: Gleitzeit, Arbeitszeitkonten oder Vertrauensarbeit. An Akzeptanz der Kollegen oder des Chefs mangelt es aber meistens. Am ehesten stößt man vermutlich in kreativen Berufen auf Verständnis, wenn man erst um elf mit der Arbeit beginnt.
In der Filiale einer amerikanischen Firma in Kopenhagen wurde Camilla Kring 2006 eingesetzt und probierte ein Experiment. In Workshops sprach sie mit den Mitarbeitern über persönliche Leistungskurven, Tagesrhythmen und Prioritäten und veröffentlichte die Änderungswünsche. Es wurde Mitarbeitern und Geschäftsführung klar, dass ein Leben gegen den eigenen Rhythmus kontraproduktiv ist. Der morgendliche Stau ist vermeidbar, wenn man erst eine Stunde später ins Büro kommt. Ein Teil der Arbeit lässt sich von zu Hause erledigen, wenn das Kind krank ist. Firmen profitieren von einer Mischung aus A- und B-Mitarbeitern, weil immer Ansprechpartner für die Kunden anwesend sind. Konferenzen führen zu besseren Ergebnissen, wenn sie in einer für alle produktiven Zeit liegen und nicht um acht Uhr morgens. Der Ansatz war erfolgreich, weil alle Mitarbeiter zunächst sich selbst hinterfragten und ihre eigene Verantwortung erkannten. Heute können die Mitarbeiter besser mit der anstehende Arbeit umgehen. Kleine Freiheiten sind möglich, auch wenn die Arbeitsbelastung hoch ist und es eine Kernarbeitszeit gibt.
Natürlich gibt es Kritik: Viele Berufe sind flexibel nicht organisierbar, die schleichende Ausweitung unregistrierter Arbeitsstunden wird befürchtet und Gewerkschaften warnen vor der Aushöhlung tariflicher Vereinbarungen.
Dennoch: Die Balance zwischen Leben und Arbeit (work-life-balance) hat sich bei den Mitarbeitern dieser Firma deutlich verbessert. Ein Schritt hin zu einer Arbeitswelt, in der Leistung und nicht Anwesenheit honoriert wird.
Mit den Technikenzum Thema „Zeitmanagement“ ist es doch so: wer keine Zeitprobleme hat, wendet sie einfach an. Wer Zeitprobleme hat, wendet sie baer nicht, weil Zeit ein Thema der Persönlichkeit berührt. Warum man Zeit nicht managen kann, darüber habe ich einen Artikel in meinem Blog geschrieben: http://tinyurl.com/2km9ly