In Harald von Trothas erstem Beitrag wurde deutlich, dass bei der Standortwahl auch Marketing-Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. In seinem Coachingbeispiel ging es um Designmöbel. Diese lassen sich an einen zentralen Ort transportieren – daher ja nicht zuletzt der Begriff. Was aber tun, wenn die Dienstleistung – wie bei einem Café – an den Standort gebunden ist? Der heutige Beitrag schildert zunächst das Problem und den grundlegenden Lösungsansatz.
In meinem konkreten Fall ging es um ein Kreuzberger Café, dessen Besitzer wegen der Miete einen Standort nicht in, sondern in der Nähe der Bergmannstraße gewählt hatte. Dieser Standort wurde durch den Mehringdamm (für Nichtberliner: eine der großen und stark befahrenen Nord-Süd-Achsen der Stadt) von der Einkaufs-, Touristen- und Café-Meile des „Bergmannkiezes“ abgetrennt. Warum dort? Zunächst wurde dort überhaupt ein Standort in Kreuzberg gefunden, zum anderen war die Miete erschwinglich, ein hoher Auskauf aus einem Café war nicht erforderlich. Der damals leere Laden musste dafür aber auch grundsätzlich auf Vordermann gebracht werden, sämtliche Installationen wie ein Wasseranschluss im Tresenbereich mussten erst noch gelegt werden. Dann kam die „Grundausstattung“ wie Kaffeemaschine, Geschirrspüler und Kühlschränke dazu. Mit den verbliebenen – dann auch schon nicht mehr so vielen – Eigenmitteln wurde der Gastraum mit Tresen uind Mobliar geschmackvoll eingerichtet, aber der Sparzwang blieb an der einen oder anderen Ecke zwangsläufig sichtbar.
Fatal nun: Die Gäste blieben über zwei Jahre aus. Natürlich verirrte sich die eine oder andere Seele ins Café, aber Tagesumsätze unter 100 Euro waren keine Seltenheit. Zwar genügten die Einnahmen, um die laufenden Kosten zu decken, aber an einen Unternehmerlohn oder gar eine Refinanzierung des eingesetzten Kapitals war nicht zu denken. In dieser „zu-wenig-zum-Leben-zu-viel-zum-Sterben“-Situation kam ich als Coach dazu.
Wie im Fall der Designmöbel-Produzenten ging es also darum, den Standort-Nachteil durch ein konsequentes Marketing zu kompensieren. Bis dato war es ein nettes Café mit einer netten Bedienung und einem netten Angebot – alles war nett, aber für Gäste gab es keinen wirklichen Grund, den Umweg zu machen.
Die erste Frage war also, womit gepunktet werden kann: Was macht das Café aus, was ist das Besondere am Angebot, an der Ausstattung, an den Räumen, am Standort? Getreu dem Computerspezialisten-Motto „Verkaufe einen Fehler, denn Du nicht beheben kannst, als besondere Leistung des Programms“ (dieses „Bug as a Feature“-Thema findet sich unter anderem hier) entwickelten wir ein Konzept für das „Café nebendran“. Was nach außen wirksam gemacht werden sollte, zeigte zunächst Wirkung nach innen. Mit dem klaren Bekenntnis zur Lage wurde dem Inhaber unmittelbar deutlich, dass er sich nicht in die Bergmannstraßen-Cafés einreihen durfte, sondern sich deutlich davon abheben musste. Wer die Bergmannstraße kennt weiß, dass sich dort massengängige (in Platz und Ausgestaltung) Cafés und Restaurants aneinanderreihen. Man sitzt sehr entspannt, bekommt überall einen anständigen Kaffee und Kuchen, auch eine vernünftige Abendkarte gibt’s, aber irgendwie sind sich alle Läden am Ende sehr ähnlich. Man geht dort nicht wegen des Cafés hin, sondern wegen der Bergmannstraße und deren buntem Treiben.
Genau da galt es also anzusetzen: Wenn wir nicht wegen der Straße besucht werden, dann bitteschön wegen des Cafés. Doch womit grenzt sich ein Café vom anderen eigentlich ab? Die Suche nach der berühmt-berüchtigten „Unique Selling Proposition“ – dem Alleinstellungsmerkmal ist Thema des nächsten Beitrags.