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Hic Rhodus, hic salta! – Ein Plädoyer für Praxistests von Mitarbeitern

Donnerstag, den 25. September 2008 von Michael Häfelinger
Kategorie: Führung, Personal

Jeder, der einmal eine interessante Stelle ausgeschrieben hat, kennt es: Man sitzt vor einem dicken Stapel Bewerbungen und sortiert aus. Am Ende bleiben einige Bewerber übrig, die allesamt prima Unterlagen eingereicht haben und schlüssig erklären, warum gerade sie so gut auf die Stelle passen. Nun beginnt das Ringen um Bewertungskriterien. An einem Coaching-Beispiel will ich erklären, warum ein praxisnaher Test vor Ort eine geeignete Methode sein kann, die gemachten Angaben zu prüfen – getreu dem Motto „hic Rodus, hic salta!“

Das Zitat stammt aus einer Geschichte von Äsop. Dort geht es um einen Fünfkämpfer, der nach einigen Jahren außer Landes zurückkehrt und prahlt, er sei in Rhodos so weit gesprungen, wie es kein anderer Olympionike könne. Das sollten Leute, die dabei waren, bezeugen, sobald sie ins Land kämen. Aber ein Anwesender fällt ihm ins Wort und fordert ihn auf: „Wenn das wahr ist, brauchst du keine Zeugen. Hier ist Rhodos, springe hier!“. Die Allegorie zeigt, dass sich für das, was sich unmittelbar durch die Realität überprüfen lässt, jedes Wort erübrigt.

Die Situation lässt sich gut auf die Bewerbungssituation übertragen. Die Bewerber haben die Bewerbungsunterlagen in viel Kleinarbeit zusammengestellt, formatiert, layoutet, haben den Lebenslauf ein bisschen frisiert und sich im Anschreiben eine gute Begründung für ihr Interesse zurecht gelegt.

Auch die Zeugen – die Zeugnisse – sagen viel zu selten die Wahrheit. Wer je ein Zeugnis bekommen wollte weiß, dass diejenigen, die das Zeugnis ausstellen sollen, häufig den Mitarbeiter bitten, das Zeugnis selbst zu schreiben. Und wer ist schon mit der Diktion von Zeugnissen vertraut? Wenn ein Bewerber ein „realistisches“ Zeugnis ohne das übliche „stets zu unser vollsten Zufriedenheit“ bringt, zeugt das von seiner Unfähigkeit oder von der Unkenntnis des Schreibers?

Die Frage: Was kann er oder sie wirklich? Was will er oder sie wirklich?

Mein Plädoyer: Lassen Sie sie springen! Schenken sie den Anschreiben, den Lebensläufen und den Zeugnissen (und Fotos) nicht zu viel Glauben – schauen sie sich den Menschen in der Realität an. Sie werden die positive wie negative Überraschung im Test erleben – und nicht erst bei der Arbeit.

Im konkreten Fall ging es bei einer Werbeagentur darum, einen neuen Grafiker zu finden. Weil der Betrieb sich auf die Fahnen geschrieben hat, den Nachwuchs zu fördern, wurden Hochschul-Absolventen aufgefordert, sich zu bewerben. Neben den Studienarbeiten sollten Praxiserfahrungen genannt werden.

Nach drei Wochen saßen wir im Coaching vor einem erheblichen Stapel teilweise sehr professioneller, teilweise recht schludriger Bewerbungen. Wir entwickelten aus den in der Ausschreibung genannten Kriterien ein Raster, in dem alle Bewerber mit ihrem jeweiligen Erfüllungsgrad festgehalten wurden. Die Kriterien wurden seitens der Agentur gewichtet, der Erfüllungsgrad mit der Gewichtung multipliziert und eine Summe darüber gebildet (zum Prinzip s. Tabelle).

Kriterienraster

Die drei Besten dieses zweifelsohne unbestechlichen Verfahrens wurden eingeladen. Es war die Idee des Unternehmers, die Bewerber im Anschluss an das jeweilige Gespräch einem Test zu unterziehen. Für einen Auftrag, den die Agentur gerade bearbeitete, sollten nach einem Briefing die drei Auserwählten im Laufe des Nachmittags das Logo redesignen und das neu zu gestaltende Corporate-Design skizzieren. Die Ergebnisse waren ernüchternd. In den Gesprächen klangen alle drei Bewerber noch sehr überzeugend, aber der Sprung ins kalte Wasser misslang. Keiner der Bewerber löste die Aufgabe auch nur annähernd zufriedenstellend – zu tiefgreifend waren die Unterschiede zwischen dem grafischen Anspruch auf der einen und den praktischen Erfordernissen auf der anderen Seite.

Folge war eine weitere Coaching-Sitzung mit dem Bewerbungsberg. Als gebrannte Kinder versuchten  wir nun, die „Blender“ unter den Bewerbern herauszufiltern. Praktika oder Jobs bei großen Namen der Branche gaben keine Extra-Punkte mehr, weil diese häufig nur Handlanger-Jobs sind. Vielmehr suchten wir diejenigen, die kleine Projekte gemacht hatten, bei denen wir davon ausgehen konnten, dass sie wirklich umfassender eingebunden waren.

Es folgte eine kurzfristige zweite Einladung, diesmal an fünf Interessenten. Gleiche Gespräche, gleiche Aufgabe. Auch bei den vier Erschienenen waren die Gespräche insgesamt positiv, vor allem aber die Ergebnisse des Tests waren deutlich besser. Am Ende bekam den Job eine Frau, die nach dem Briefing und der ersten Auseinandersetzung mit der Aufgabe noch einmal nachfragte, ob sie die Aufgabe richtig verstanden hätte, wenn sie so und so vorginge. Im Grunde nahm sie ein Rebriefing vor. Ihre Fragen bewiesen, dass sie die Aufgabe richtig einzuordnen wusste und ihr Ergebnis sprach am Ende schlichtweg für sich. Sie sprang am weitesten. Und nach den ersten Wochen bestätigte sich der gute Eindruck auf allen Fronten.

Übrigens: Aus den Unterlagen heraus war sie im Kriterienraster nur auf Platz 10 von 19 ernst zu nehmenden Bewertungen gewesen…

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