Es gibt inzwischen einige Online-Netzwerke, bei denen nach Aussage der Betreiber höchst erfolgreich Business-Kontakte angebahnt werden. XING ist eines der bekanntesten. Aber was leisten die virtuellen Netzwerke wirklich? Welche Relevanz haben sie in der Unternehmer-Realität? Entstehen wichtige Kontakte zu Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern wirklich im Netz? Die aktuelle Einladung zum „weltweit größten XING-Event“ zeigt, wie schwierig es ist, aus den Höhen der virtuellen Welt auf den schnöden Boden der Realität herunterzusteigen – und wie das Corporate Behaviour im Sinne der Markenwerte ausgelesen wird…
Ein Super-Event?
Laut den Organisatoren soll es ein „Networking-Event der Superlative“ werden. Dazu wird zum Berliner Oktoberfest 2009 eingeladen. „Bei entspannter Atmosphäre feiern Sie mit Freunden, Kollegen und vielen XING-Mitgliedern zu stimmungsvoller bayerischer Blasmusik, original Löwenbräu Oktoberfestbier und berühmten Wiesnschmankerln.“
Hier also ist nun der Versuch, die virtuellen in reale Kontakte zu verwandeln. Eine Einladung, bei dem sich mir als Berliner Unternehmer – noch gelinde formuliert – die Fußnägel aufrollen. Aber was viel wichtiger ist: Auf dem bisher unbeschriebenen Papier der Internet-Community entsteht durch die Einladung ein reales Markenbild. Im Sinne des Corporate Behaviours gleiche ich Aussage mit dem Handeln ab – und wende mich mit Grausen.
Was erwarten Sie von einem Netzwerk-Event?
Für mich soll die Veranstaltung einen Rahmen stiften, der Menschen mit potenziell ähnlichen Interessen anzieht und in dem ich für mich relevante Kontakte machen kann. Das setzt für mich die Möglichkeit voraus, angemessen über die Dinge sprechen zu können, die ich mit meinem Gegenüber bereden möchte. Ein nicht zu verkrampfter Rahmen mit einem entsprechenden Programm erleichtert die Gesprächsaufnahme, bleibt aber als solcher im Hintergrund.
Wofür steht das Berliner Oktoberfest?
Das originale Münchner Oktoberfest steht für Trachten, lautes Humba-Humba, feiste Kost und jede Menge Bier zum Runterspülen der selbigen. Was geht und was nicht geht verrät Lisa Sonnabend im Wiesn-Knigge der Süddeutschen Zeitung. Und das Berliner Oktoberfest? Ist ein Abklatsch des Originals, also noch eine Etage tiefer. Das ist ungefähr so, wie wenn Sie versuchen würden, einen Kölner oder Mainzer für den Berliner Faschings-Umzug zu gewinnen.
Die Folgen
Was sind die Folgen?
- Die oben genannten Kriterien für ein Netzwerk-Event sehe ich also nicht erfüllt. Das wäre für sich genommen ja kein Problem.
- Allerdings versuche ich, diejenigen, die sich vom Berliner Oktoberfest angezogen fühlen, in der Stadt weiträumig zu umgehen.
- Gleichzeitig muss ich annehmen, dass die XING-Community einen solchen Event wünscht, sonst wäre er ja nicht zustande gekommen.
Ergo entsteht folgende für XING fatale Rückkopplung des Events an den Ausrichter:
- Ich glaube nicht, dass ich dort Leute mit gleichen Interessen treffen kann.
- Ich glaube, dass XING von Leuten geprägt wird, die genau das wollen und also andere Interessen haben.
- Folglich ist XING für mich uninteressant.
Das Problem für XING ist dabei, dass dieser Erfahrung mit dem selbst beobachteten Verhalten von XING eine erheblich größere Bedeutung beigemessen wird, als all den schönen Worten, mit denen XING sich darstellt.
Insofern ist diese XING-Einladung nur eines von vielen Beispielen, wie sehr das konkrete Verhalten Markenwerte nach außen transportiert und wie sorgfältig folglich das Corporate Behaviour mit den Markeninhalten abgestimmt werden muss.